Von der „Schnauze mit Herz“
Das Berlinerische, das man in der deutschen Hauptstadt heute allerdings nur noch in den Stadtrandgebieten zu hören bekommt, ist eine Mundart, die auf eine lange Geschichte zurückgeht. Man spricht von einem Metrolekt, im Gegensatz zu einem Dialekt, weil es sich aus mehreren Mundarten zugleich zusammensetzt, die sich in einer größeren Stadt zwangsläufig bilden.
Die Mundart hat sich über Jahrhunderte hinweg sehr verändert und stark Einflüsse von außen nachvollzogen. Berlin war seit dem Beginn des 16. Jahrhunderts eine Stadt mit viel ausländischer Zuwanderung. Erst strömten Händler aus den flämischen Gebieten des Heiligen Römischen Reichs ein, später wurden gezielt die Hugenotten angesiedelt, die dem französischen Adel entsprangen. Gerade das Französische hatte eine entscheidende Bedeutung für die eigenständige Wortbildung im Berlinerischen, das sich in diesem Punkt von den Mundarten und Sprachen aus dem restlichen deutschsprachigen Raums unterscheidet. Eines der häufigsten Wörter des Berliner Alltags, die „Bulette“, stammt beispielsweise vom französischen Begriff „boulette“ ab. Auch der Ausdruck „blümerant“ (um Übelkeit auszudrücken) hat die gleiche Herkunft, nämlich „bleu mourant“ (blasses Blau). Neben dem Französischen haben sich auch das Jiddisch und das Polabrische (eine slawische Sprachvariante, die im ehemaligen Schlesien und Böhmen gesprochen wurde) ausgewirkt.
Das Berlinerische zeichnet sich durch einen eher als derb zu bezeichnenden Humor, der sich in zahlreichen Redewendungen und beispielsweise im verbreiteten Brauch von Spitznamen wiederspiegelt. So tanzt „man bis in die Puppen“, wenn man die Nacht zum Tag macht oder trifft sich am „Telespargel“ oder an der „Goldelse“, wenn man am Fernsehturm oder an der Siegessäule verabredet ist.
Wie das für viele Mundarten und Dialekten gilt, gilt auch für das Berlinern. Es wird fälschlicherweise mit einer unfeinen, proletarischen und ungebildeten Art des Ausdrucks verbunden. Zu den bekanntesten Persönlichkeiten, die gegen dieses Bild versuchten anzukämpfen, gesellt sich Heinrich Rudolf Zille (1858-1929), der wie es sich für einen Berliner gehört, der den Spitznamen „Pinselheinrich“ trug. Der Maler, Fotograf und Autor trieb sich in Hinterhöfen, Seitengassen und Kneipen in den Arbeitervierteln herum und dokumentierte, was er sah. Seine Bilder kommentierte er vielfach mit vermeintlichen Zitaten und erfundenen Untertiteln, die genau diese Berlinerische freche, spöttische und sarkastische Art untermauerten. Zille verfasste viele Witz- und Satireblätter in Mundart und trug dazu bei, dass sich die Menschen ab ihrer Berlinerischen Herkunft stolz fühlten.
War zu DDR-Zeiten der Gebrauch des Berlinerischen viel weniger verpönt, stellte sich der Westen eher dagegen. Heute wird angenommen, dass nur jeder Vierte Einwohner Berlins auch hier geboren wurde. Gerade zwischen 1949 und 1989 fand eine massive innerdeutsche und ausländische Zuwanderung statt, die sich auf die Sprache auswirkte. Maßgebliches Resultat ist eine Verdrängung des Berlinerischen aus dem allgemeinen Alltag.